Wir schreiben den 1. November 2009, 11. Spieltag der Kreisklasse A.
Der SV Reihen steckt als Aufsteiger mitten im Überlebenskampf. Fünf Niederlagen zum Start, Abstiegsangst im Nacken – und trotzdem gibt es sie, diese Spiele, die man nie vergisst. Spiele, die sich tief ins Vereinsgedächtnis brennen.
Dieses hier war eines davon: das Derby am Steinsberg.
Der FC Weiler hatte den Sprung aus der B-Klasse schon ein Jahr früher geschafft und sich in der neuen Liga etabliert. Reihen dagegen reiste als Außenseiter an – und als bunte
Zielscheibe: in knallorangen Auswärtstrikots, die Weilers frisch gegründeter Ultra-Trupp mit spöttischen Gesängen begleitete.
„Orange trägt nur die Müllabfuhr!“ hallte es in Dauerschleife über den Platz.
Und zunächst lachten sie zu Recht – denn bereits nach drei Minuten brachte Johannes Schmidt den FC in Führung.
Die damalige Abwehr um den legendären Libero Nesho Duric wirkte noch wie hypnotisiert vom Müllabfuhr-Soundtrack.
Was folgte, war ein Spiel aus Kampf, Provokation und wenig Finesse. Weiler drückte, Seltenreich vergab kurz vor der Pause das mögliche 2:0 per Kopf.
"Wie Robin van Persie stieg Seyfert an diesem Tag in ungewöhnte Höhen auf"
In Halbzeit zwei kämpfte sich Reihen mit Zähnen und Willen ins Spiel zurück. Spielertrainer Georg Böhmann, selbst noch aktiv, räumte ab wie ein Schneepflug im Januar.
Dann die 77. Minute: Reimann fasst sich ein Herz, zieht aus 20 Metern ab – und hämmert den Ball ins Eck. 1:1!
Kurz zuvor hatte sich Weiler durch Gelb-Rot dezimiert – und plötzlich kippte das Spiel.
Doch die Euphorie hielt nicht lang. Reimann, eben noch Derbyheld, sah nach einem Allerweltsfoul Rot – bis heute bleibt unklar, warum.
In wieder ausgeglichener Mannschaftsstärke schlug Weiler zurück: Der eingewechselte Schulz entwischte der orangenen Abwehr und traf zum 2:1 (84.).
Reihen am Boden. Köpfe unten.
Aber Böhmann hatte noch zwei Asse im Ärmel: Obereicher und Maag.
In der 87. Minute stieg "Wuchter" hoch und nagelte das 2:2 per Kopf ins Netz.
Dann kam die Nachspielzeit.
Minute 93.
Eine harmlose Flanke segelt an den kurzen Pfosten.
Christian Seyfert, sonst nicht unbedingt als Kopfballungeheuer bekannt, schraubt sich in ungeahnte Höhen – manche sagen, nur der Wind vom Steinsberg habe ihn getragen – und bringt
den Ball Richtung Tor.
Ob er selbst drin gewesen wäre? Schwer zu sagen.
Denn Obereicher, auf Nummer sicher, grätschte das Leder endgültig über die Linie. 3:2!
Was folgte, war kollektiver Ausnahmezustand.
Ein Jubelorkan aus purer Erleichterung, Stolz und Unglaube.
Abgekämpfte Männer in Orange lagen sich in den Armen, während Weilers Burg im Hintergrund schweigend zusah.
Dieses Spiel war mehr als drei Punkte.
Es war der Moment, in dem der SV Reihen in der neuen Klasse ankam.
Der Abstieg? Den mussten später andere verarbeiten.
Und wohin die Reise unseres 1920 gegründeten Traditionsvereins führen sollte – das ist längst Geschichte.