28.08.2024
Eine eigene Kategorie - Sascha Fuhr
Im zweiten Teil unseres großen K-B Sommerinterviews sprechen wir mit Sascha Fuhr über die vergangene und die kommende Spielzeit. Wir erfahren, wie Entscheidungen im Trainerteam ausdiskutiert werden und was der SV Reihen mit dem FC St. Pauli gemeinsam hat.
Feuer frei für Teil Zwei – Sascha Fuhr im K-B.
Christian und du habt im vergangenen Jahr das große Erbe von Georg Böhmann übernommen und einen ziemlich ausgedünnten Kader überraschend auf Platz 2 geführt. Gab es spezielle Momente, die diesen Erfolg möglich gemacht haben? Was war der Schlüssel zu dieser Leistung?
Uns war bewusst, dass wir eine gute Mannschaft haben; mit 10 Abgängen und lediglich 4 Neuzugängen war aber von vornherein klar, dass es unter Umständen schwer werden kann. Die Trainingsbeteiligung war durchweg gut und es zeichnete unser Team aus, während des Spiels immer noch eine Schippe drauflegen zu können. Wir hatten eine sehr gute Sommervorbereitung, in der wir schon viele Erkenntnisse gewinnen konnten.
Es gab in Reihen schon so manche Bedenken, inwiefern die Saison mit einer veränderten Mannschaft und dem neuen Trainerteam gelingen kann. Das ist aber völlig normal, wenn eine Legende wie Georg Böhmann aufhört, welchem wir übrigens in seiner neuen Rolle im Verein unfassbar dankbar sind. Als Bindeglied zwischen Mannschaft und Vorstandschaft ist Schorsch weiterhin in einer ganz wichtigen Rolle. Uns Trainern war jedenfalls klar, dass es keine Utopie ist, eine gute Runde zu spielen. In die Winterpause gingen wir auf Platz 5, was ebenfalls schon als Erfolg zu werten war.
Nach einer wiederum guten Vorbereitung und einem Auftaktsieg gegen Mühlbach hatten wir ordentlich Rückenwind und so nahm alles seinen Lauf. Bei dem knappen Sieg in Kürnbach war mir persönlich klar, dass wir es auf den zweiten Platz schaffen. Bei diesem dreckigen Arbeitssieg, bei dem Mbaye das 1-0 kurz vor dem Ende einnetzte, konnte man sehen, dass wir auch das nötige Glück haben, um ganz vorne mit dabei sein zu können.
Wie ist das Zusammenspiel zwischen dir und Christian bei den anstehenden Entscheidungen? Seid ihr Sparringspartner, die sich sprichwörtlich auch mal verbal "auf die Fresse hauen", oder seid ihr euch in den Grundzügen eurer Beschlüsse immer einig?
Natürlich haben wir auch mal verschiedene Meinungen. Claudio ist in diese Prozesse auch mit eingebunden. Die Fragen werden von uns sachlich ausdiskutiert und dann finden wir schon immer einen gemeinsamen Nenner.
Gerade am vergangenen Wochenende gab es nach der anstehenden Sperre von Fabi Hack einige offene Fragen. Christian meinte, wir lassen Obbbes weiter über links kommen in der Dreierkette, ich sah ihn eher im Zentrum. Letztendlich hat das Argument gesiegt, dass wir ihn als Unterstützung von Silas auf der Außenbahn haben wollten. Es kommen eben alle Argumente auf den Tisch und dann muss und kann derjenige auch nachgeben, wenn er überzeugt ist.
Wir verbringen so viel Zeit miteinander – an manchen Wochen mehr als mit unseren Frauen. Das bedeutet, wir kennen uns und können zusammen Entscheidungen treffen.
Danach folgte das Relegationsspiel gegen Gartenstadt. Ganz kurze Frage: Gab es einen Moment, an dem der SV Reihen das Spiel hätte gewinnen können?
Wenn es einen Moment gab, dann war es der Schuss von Valle. Wenn der eingefahren wäre, wäre vielleicht nochmal ein Ruck durch die Mannschaft gegangen. Dann hätten wir wieder ein bisschen Blut geleckt. Wir hätten dann das Ergebnis auf 2-3 gestellt und eventuell sogar die starke Mannschaft aus Gartenstadt ein wenig ins Wackeln bekommen.
Man muss aber so ehrlich sein, dass es an diesem Tag für den SV Reihen wenig Argumente für einen Sieg gab; so schön das Spiel und das Erlebnis für Mannschaft und Verein auch war.
Als amtierender Vizemeister kann die neue Saison auch eine gewisse Bürde sein. Ist so ein zurückliegender Erfolg eventuell sogar ein wenig hinderlich, wenn es darum geht, die Mannschaft aufs Neue zu motivieren?
Mein Gefühl im Moment für die anstehende Spielzeit ist sehr positiv. Selbst der Niederlage zum Saisonstart in Kürnbach kann man etwas Positives abgewinnen.
Wir hatten eine anständige Vorbereitung mit durchweg guten Ergebnissen. Man konnte dann schon merken, dass sich vielleicht bei dem einen oder anderen unterbewusst ein wenig Selbstgefälligkeit eingeschlichen hat.
Wir müssen nicht unbedingt 5-0 auf die Mütze bekommen, um wieder auf dem Boden der Tatsachen zu sein.
Aber ein Dämpfer zum richtigen Zeitpunkt kann helfen, sich wieder auf das Wesentliche zu besinnen. Wir haben diesen Misserfolg dann auch ganz bewusst in der Trainingswoche thematisiert und am vergangenen Sonntag gegen Treschklingen die richtige Reaktion bekommen. Wir machen uns alle ständig über unsere Leistung Gedanken und wir sind auf dem richtigen Weg aktuell.
Die Fupa-Experten tippten euch überraschend auf Platz 11. Wärt ihr lieber als Favorit in die Saison gegangen, oder nehmt ihr diese „Expertise“ als zusätzliche Motivationsspritze?
Nach der Veröffentlichung dieser Tabelle hat Stumpfi mich sofort angerufen und gesagt, das ist das Beste, was uns passieren konnte. Umgehend war der Tonus in der Mannschaft in Richtung: „Denen zeigen wir es.“
Noch eine Frage zum Gesamtverein. Viele Clubs sind aktuell in einer Art Verwaltungsmodus statt im Aufbruch. „Es gibt keine Leute, wir können froh sein, wenn es den Verein in 10 Jahren überhaupt noch gibt“ sind die vorherrschenden Aussagen. Kann man als Trainer einer Kreisligamannschaft dennoch progressiv und erfolgsorientiert denken und handeln? Kann man laut sagen: „Wir wollen aufsteigen und in der höheren Klasse bestehen?“
Natürlich versuchen wir immer, das Beste aus allem rauszuholen. Wir hatten im Sommer starke Neuzugänge und auch im Winter könnte nochmal Bewegung in den Kader kommen. Ich spüre diese Verwaltungsmentalität beim SV Reihen überhaupt nicht. Hier sind tagtäglich im höchsten Maße engagierte Menschen am Werk, die ihr Herzblut für den Verein geben. Jeder hier will seinen Teil zum Erfolg beitragen. Das geht weit über die Mannschaft hinaus.
Fakt ist aber natürlich schon, dass es sehr schwierig ist, die passenden Spieler für uns zu finden. Wir haben hier das Zugmittel Geld nicht und müssen daher noch mehr als andere Vereine alles geben, um Menschen für uns zu begeistern. Wenn man sieht, was wir hier unter unseren Voraussetzungen schaffen, dann ist dieser Club höchst lebendig. Ich war in so vielen Vereinen und kann mit Sicherheit sagen, dass ich sowas wie hier im positiven Sinne noch nicht erlebt habe.
Mit welchem Bundesligaclub ließe sich der SV Reihen vergleichen?
Vielleicht am ehesten mit dem FC St. Pauli. Auch da hat man das Gefühl, dass Fans und Mannschaft sehr nah beieinander sind. Da gibt es diesen besonderen Zusammenhalt und Kampfgeist. Nur dann können solche Clubs erfolgreich sein. Das gilt auch für uns, nur wenn wir für unsere Farben brennen und mehr tun als alle anderen, können wir erfolgreich in der Kreisliga Fußball spielen.
Außerdem trinkt man dort sicher genauso gerne Bier wie in Reihen.
Zum Schluss darfst du uns noch ein paar Sätze vervollständigen:
Als Vater wird sich mein Leben … sicherlich ändern.
Mit ein bisschen Glück kann der SV Reihen in dieser Saison… unter die ersten 5 kommen.
Trainer sein bedeutet für mich … einen sehr großen Teil meines Lebens.
Menschen neigen dazu, andere in Kategorien zu stecken und in Schubladen zu packen. Bei Sascha Fuhr wird man jedoch daran verzweifeln. Der Trainer des Sportvereins von 1920 ist eine ganz besondere Persönlichkeit – könnte man sagen, ein außergewöhnliches Kaliber? Er verändert den Raum, sobald er ihn betritt, und geht aktiv auf Menschen zu, flexibel und offen.
Ein Gespräch mit Sascha ist mehr als nur ein Austausch von Informationen; es ist ein Erlebnis, das einen gewissen Wohlfühlfaktor mit sich bringt. So laut und emotional er am Fußballfeld sein kann, so nachdenklich und still wird er, wenn es um das bevorstehende Match im Kreißsaal geht. Und das, obwohl er es gewohnt ist, an der Seitenlinie zu stehen und anderen den Vortritt zu lassen. Mit ihm als Trainer wird Laura sprichwörtlich das Kind schon schaukeln.
Seit vier Jahren trägt der gebürtige Hunsrücker das Wappen des SV auf der Brust. Im zweiten Jahr übernahm er gemeinsam mit Christian Stumpf die Verantwortung für die Mannschaft. Hier folgt das zweiteilige K-B-Sommerinterview mit Trainer und Mensch Sascha Fuhr.
Sascha, du bist nun schon eine Weile in der Kurpfalz unterwegs. Ursprünglich stammst du aus dem Hunsrück in Rheinland-Pfalz. Wie unterscheiden sich diese beiden Regionen, und was würdest du den Reihenern gerne von deiner Heimat zeigen?
Der Hunsrücker ist möglicherweise einen Ticken lockerer und aufgeschlossener als der Badener. Das könnte an unserer rheinischen Lebensart liegen. Besonders während des Karnevals wird das deutlich, denn dort wird diese Tradition in vollen Zügen gelebt und praktiziert. Auch wenn ihr das hier kennt, bei uns wird das noch intensiver zelebriert. Wir sind gesellige Menschen und haben eine entspanntere Sicht auf das Leben.
Ich würde euch gerne den Betze zeigen, der für uns Rheinland-Pfälzer ein Stück Heimat darstellt. Mit ein paar SV Spielern war ich bereits in Trier auf dem Weihnachtsmarkt – das wollte ich unbedingt erleben, und alle waren begeistert. Außerdem gibt es zahlreiche Weinkeller bei den Winzern, und auch die Weihnachtsmärkte dort sind absolut sehenswert.
Gonzerath, SG Lüxem, Bernkastel, Mühlheim – deine Fußballvereine mögen für Einheimische hier wenig aussagekräftig sein. Welche waren die schönsten und erfolgreichsten Zeiten deiner Karriere als Spieler?
Du hast nur die Clubs erwähnt, in denen ich am Ende meiner Spielerzeit aktiv war. Alles begann beim DJK Morscheid, meinem Heimatdorf. Damals hatten wir eine sehr starke Jugendmannschaft mit vielen talentierten Spielern. Irgendwann mussten wir, wie üblich, eine Spielgemeinschaft mit dem SV Morbach eingehen, der in der Rheinlandliga spielte – vergleichbar mit der Verbandsliga hier. Dieser höherklassige Verein beanspruchte die Talente für sich, wodurch ich mit drei oder vier anderen Jungs zu den Senioren kam. Das war meine längste und erfolgreichste Zeit: 15 Jahre, in denen ich dort spielte, mit all den Höhen und Tiefen, einschließlich eines Abstiegs in die Landesliga.
Ab und zu bekam ich Anfragen von anderen Vereinen, und nach so langer Zeit hatte ich das Bedürfnis, etwas Neues zu sehen. Der heutige Co-Trainer des SV Elversberg, Rudi Thömmes, holte mich zum SV Mehring, ebenfalls in der Rheinlandliga. Dieser Wechsel war damals eine Art Todsünde, da ich innerhalb der Liga zu einem Rivalen wechselte – die beiden Vereine liegen nur etwa 20 km auseinander. Doch ich brauchte dringend eine Veränderung und wollte dorthin. Die Derbys waren natürlich hitzig. In Mehring hatte ich drei erfolgreiche Jahre, in denen wir sogar zeitweise an der Oberliga kratzten.
Nach dieser Zeit kehrte ich in die unteren Ligen zurück, unter anderem zu meinem Heimatverein. Ein Jahr später ging ich erneut zu Mehring, dann in die Oberliga, wo wir allerdings weit abgeschlagen nach unten rutschten. Danach folgten erste Trainerstationen in Bernkastel und Mühlheim. Vor sechs Jahren fand ich schließlich hierher. Die SG Mülheim wurde von meinem Vater Roland übernommen, der nun mit 66 Jahren aufgehört hat.
So kennt man Sascha Fuhr - voller Power und Mittendrin
Fußball spielen bedeutet, sich darauf einzulassen, auch mal zu verlieren und dafür Verantwortung zu übernehmen. Wenn ich auf meine Laufbahn zurückblicke, fallen mir einige Momente ein, in denen ich versagt oder die falsche Entscheidung getroffen habe. Gibt es eine Situation, die du aus heutiger Sicht gerne anders gestalten würdest?
Da gibt es mit Sicherheit einige. Wenn ich darüber nachdenke, fällt mir das Pokalviertelfinale zwischen Mehring und Morbach ein. Nach 90 Minuten stand es Unentschieden, und wir mussten ins Elfmeterschießen. Ich war der zweite Schütze und habe den Elfmeter total versiebt – zur Freude des Gegners, versteht sich. Zu diesem Elfer würde ich gern noch einmal anlaufen und ihn ins Netz befördern.
Du bist bekannt für deine extrovertierte und kommunikative Art, bist ein Menschenfänger mit einem großen Netzwerk. Deine Kontakte, z.B. zu Rudi Thömmes, reichen bis in den Profisport. Was kann der Profisport deiner Meinung nach von der Kreisliga lernen?
Definitiv die Kameradschaft und das Miteinander, gerade abseits des Platzes. Der Unterschied im Zusammenhalt ist enorm. Mag sein, dass es Vereine gibt, die die Gemeinschaft stärker pflegen – vielleicht in Elversberg, wo es ein recht kleiner Club ist. Doch so ausgeprägt, wie es hier beim SV Reihen gelebt wird, findet man das im Profisport nicht. Daher wäre es wünschenswert, dass Spieler in den oberen Klassen auch außerhalb des Trikots gut miteinander auskommen oder mal gemeinsam essen gehen.
Emotion, Leidenschaft und immer einen Spruch auf den Lippen – so kennt man dich am Sportplatz. Gibt es auch einen ruhigen, nachdenklichen Sascha?
Ich bin mit meiner Art bisher gut gefahren, sei es im Fußball oder im Kundenkontakt beim Job. Mit der Zeit entwickelt man ein Gespür dafür, wann das Lockere nicht angebracht ist. Das merke ich schon.
Was mich momentan nachdenklicher stimmt, ist die bevorstehende Vaterrolle. Ich habe großen Respekt vor der Situation im Kreißsaal. In diesen Momenten habe ich meine stillen Gedanken. Andererseits gibt es viele, die diese Aufgabe meistern, und ich spüre, dass dieser neue Lebensabschnitt für mich aktuell eine Herausforderung darstellt.
Die Leidenschaft für eine gemeinsame Sache und das Kämpfen für Ziele sind wichtig. Aber wie gelingt es, diese Begeisterung auf eine Gruppe und die Spieler zu übertragen?
Eine lockere und aufgeschlossene Art ist eine gute Basis. Gleichzeitig muss man sich immer wieder anpassen und erkennen, wie weit man bei jedem einzelnen Spieler gehen kann. Natürlich trinken wir auch mal kameradschaftlich ein Bier zusammen, aber es sollte klar sein, dass der Ton rauer werden kann, wenn die Leistung ausbleibt.
Unsere Mannschaft hat tolle Charaktere, die schnell zu begeistern sind. Das beginnt bereits bei einer durchdachten Trainingsgestaltung unsererseits. Eine gute Stimmung im Club entsteht natürlich auch durch sportlichen Erfolg, was uns die Sache erleichtert.
Christian und ich haben mittlerweile ein Gespür dafür, wie wir die einzelnen Spieler anpacken und welche Ansprache die richtige ist. Wir haben hier eine starke Gemeinschaft, die die Balance zwischen guter Laune und sportlichem Ehrgeiz findet.
Wie bereits erwähnt, wirst du bald zum ersten Mal Vater. Der kürzlich verstorbene Christoph Daum sagte einmal, dass er seinen Sprössling lieber beidfüßig als zweisprachig erziehen möchte. Welche Tipps und Fähigkeiten würdest du einem jungen Fußballer mit auf den Weg geben?
Christoph Daum hat nicht unrecht. Mein Vater hat auch versucht, mich von Anfang an beidfüßig zu trainieren. Das hat eine Zeit lang gut funktioniert, bis ich mir das Schien- und Wadenbein brach und ich mit links nicht mehr schießen konnte.
Ein Spieler, der mit beiden Füßen schießen kann, ist einfach schwer auszurechnen. Das zeigt sich schon in unseren Ligen. Wenn ich an unseren Neuzugang Luca Bauer denke, der das beherrscht, hat er in vielen Situationen einen Vorteil.
Schnelligkeit und Kopfballstärke sind ebenfalls entscheidend. Wenn der Kopf noch ein bisschen mitspielt und klar ist, hat man bereits viele Eigenschaften, die einen guten Kicker ausmachen.
Zum Abschluss von Teil 1 noch eine kleine Entweder-oder-Fragerunde:
Adidas oder Puma?
Adidas
4:3:3 oder 3:5:2?
Kann ich beides sagen? Wir spielen im Moment mit beiden Systemen, also nehme ich sie beide.
Kopf oder Bauch?
Kopf
Ballermann oder Betze?
Mittlerweile ganz klar Betze. Früher eher Ballermann.
In den nächsten Tagen gibt’s Teil 2 auf den Bildschirm. Darin arbeiten wir uns ein wenig an der vergangenen Saison ab und schauen in die bereits laufende Spielzeit 24/25.
Das große K-B Sommerinterview mit Sascha Fuhr.