Einer von uns - Martin Wagner 

Und ich schließe meine Augen – und bin sofort wieder an jenem 25. Mai 1996.

Es regnet – sowohl in Berlin als auch in Reihen.

 

Eine Woche zuvor saß ich weinend im Wohnzimmer meiner Eltern; mein FCK war abgestiegen aus der Bundesliga. Der ebenso großartige wie pessimistische Fritz Walter hatte es schon Wochen vorher in die Kameras gesagt:

 

„Wenn wir einmal abgestiegen sind mit dem FCK, ist dieses Kapitel beendet für alle Zeiten.“

In den Ohren eines Zwölfjährigen klang das wie eine Weltuntergangstirade.

Die erste große Liebe – verpufft im Schatten der Bayerwerke, an einem ebenso tristen Tag in einem Kölner Vorort.

 

Und doch, eine Woche später öffnete sich eine Tür.

Durch Karlsruher Mauern und wackelige Beine schoss mein heutiger Gesprächspartner den ersten Hoffnungsschimmer zurück in unser Herz:

 

Martin Wagner.

 

Einer, der nicht aufgeben wollte.

Eines der großen Gesichter der Bundesliga der 90er Jahre.

Und im sechsten Lenz dieses Jahrzehnts: der Schütze des entscheidenden Tores im Pokalfinale gegen den Karlsruher SC.

 

Martin Wagner gehört zu jenen Männern in Rot, die es auch heute noch schaffen, dass gesetzte Herren um die 40 sich wieder wie kleine Jungs fühlen.

Nicht, weil Fußballer damals Einfamilienhäuser in der Woche verdienten –

sondern weil sie trotz allem Ruhm, aller Erfolge,

immer noch welche von uns geblieben sind.

 

Gut situiert, zweifellos. Mit besonderen Fähigkeiten, ohne Frage.

Aber: Bewunderung kann Abstand vertragen –

Liebe entsteht nur durch Nähe.

 

Ich hatte damals keine Vorstellung vom Leben.

Aber ich stand auf einer Tribüne – und ich wäre für diese Männer durchs Feuer gegangen.

Weil ich sicher war: Sie hätten es auch für uns getan.

 

Martin Wagner war einer meiner Helden.

Und heute, was für ein Privileg:

Er steht mir – und dem Kuckucks-Blog – beratend zur Seite.

Denn wir suchen Pokalhelden.

Und heute habe ich eine Fachkraft bei mir.

"Wer beim FCK einen Vertrag unterschreibt, muss wissen, was er tut"

K-B: Martin, eine Woche vor dem Pokalfinale 1996 seid ihr mit dem FCK zum ersten Mal abgestiegen. Wie geht man mit so einem negativen Erlebnis in ein so wichtiges Spiel?

 

Martin Wagner: Wir waren eine Woche vorher durch das Tal der Tränen gegangen, haben eine ganze Region enttäuscht und die Verantwortung dafür gespürt. Wir wollten durch einen Sieg etwas Freude zurückbringen. Die Menschen in der Pfalz identifizieren sich in höchstem Maße mit dem FCK. Durch den Abstieg aus der Bundesliga ging einer ganzen Region ein Stück Selbstbewusstsein verloren. Durch den Pokalsieg konnten wir zumindest etwas davon zurückgeben.

 

Ich war diesmal der Glückliche, der das entscheidende Tor schießen durfte. Andy Brehme und ich saßen danach im aktuellen Sportstudio, und ich wollte – nein, ich musste ein Zeichen setzen. Auf die Frage, ob ich beim FCK bleiben werde, konnte ich nur mit "Ja" antworten. In den darauffolgenden Wochen hat sich ebenfalls die gesamte Mannschaft entschieden, den Schaden zu reparieren. Wir waren eine Truppe, die seit Jahren zusammen war, und die meisten von uns hatten den Mythos FCK eingeatmet. Im Prinzip konnten wir mit dem Pokalsieg bereits einen Grundstein für den sofortigen Wiederaufstieg legen.

 

K-B: Dieser Verein und sein Stadion haben eine unfassbare Energie, können aber auch eine Bürde sein. Kann es daher nicht manchmal auch schwer sein, so eng mit einem Club verbunden zu sein?

 

Martin Wagner: Wer beim FCK einen Vertrag unterschreibt, muss wissen, was er tut. Das war damals nicht anders als heute. Der Betze war für uns eine Festung. Wir haben uns immer wie die Gallier gefühlt, die sich mit den Römern anlegen. Die Menschen in der Pfalz erwarten ehrliche Arbeit. Es geht im Prinzip nur darum, in jedem Spiel um sein Leben zu laufen. Der FCK-Fan spürt ganz genau, wenn ein Spieler diesen Club lebt und alles für ihn gibt. Dann hast du die Menschen ausnahmslos hinter dir und bekommst die Wucht, die dieser Club entwickeln kann.

 

Ich habe in einem Interview mal gesagt, dass es keinen vergleichbaren Club wie den FCK gibt. An dieser Aussage hat sich für mich bis heute nichts geändert. Darum werde ich auch immer tief mit dem Club verbunden sein. „Du kannst die Frau wechseln, aber niemals den Verein.“

 

"Wagner lief 6mal für Deutschland auf und nahm an der WM 1994 teil"

K-B: Was macht den Pokalwettbewerb – sei es auf Profi- oder Amateur-Ebene – so besonders?

 

Martin Wagner:  Es ist einfach der kürzeste Weg zu einem Titel. Man kann den Fokus auf jedes einzelne Spiel legen; jede Partie ist wie ein Finale. Es entstehen legendäre Geschichten, vor allem, wenn die Kleinen die Großen schlagen, was man auch in diesem Jahr mit Arminia Bielefeld wieder sehen kann. Mit sechs gewonnenen Partien kannst du den Pokal in deinen Händen halten und dich für den Verein unsterblich machen.

 

K-B:Du hast selbst den Kontakt zur Basis nie verloren. Aus der Perspektive eines ehemaligen Leistungssportlers: Was können Amateure und Profis voneinander lernen?

 

Martin Wagner:Im Grunde geht es bei beiden um das Gleiche: Man spielt, um erfolgreich zu sein. Bei mir war das Geld nie im Vordergrund. Ich wusste aber, dass ich mit dem Sport meinen Lebensunterhalt verdienen muss. Ich hatte immer die Prämisse: Wenn ich gut spiele, kommt das Geld von alleine. Der Amateursportler hat selbstverständlich noch viele andere Aufgaben im Leben zu bewältigen. Da muss der Fußball auch schon mal für den Beruf zurückstecken. Aber im Kern geht es im Fußball immer darum, Spaß zu haben und tolle Geschichten zu schreiben.

 

Ich selbst habe in meiner Anfangszeit noch bei den Amateuren gespielt. In Offenburg hatten wir immer zwei- bis dreitausend Zuschauer. Da verstehst du noch jedes einzelne Wort, das dir der Fan an den Kopf wirft. Da muss man es schaffen, aus der negativen Energie das Positive herauszuziehen. Auch der gegnerische Zuschauer kann dich nach vorne treiben.

 

K-B: Mein Heimatverein der SV Reihen steht im Kreispokalfinale. Welche Ratschläge würdest du den Spielern mit auf den Weg geben, die kurz vor dem Spiel ihres Lebens stehen?

 

Martin Wagner: Es geht exakt um das oben Beschriebene. Wandelt die Energie an diesem Tag in Leistung um. Nicht oft hat der Amateursportler eine große Plattform, um sich zu zeigen. Daher sind es genau diese Spiele, die eine Fußballkarriere auch in unteren Klassen unvergesslich machen können. Auch der Amateursportler kann an diesem Tag unsterblich werden.

 

K-B: Wenn du heute auf die 90er Jahre und deine Karriere zurückblickst, was bedeuten dir diese Momente aus heutiger Sicht, und welche Werte sollten gerne eine kleine Renaissance erfahren?

 

Martin Wagner: Ich persönlich blicke auf die schönste Zeit meines Lebens zurück. Wir konnten aus unserem Hobby unseren Beruf machen. Und ich empfand es immer auch als sozialen Auftrag, den Fans durch Leistung dieses Privileg zurückzugeben. Natürlich sind viele Spieler heute nicht mehr so verwurzelt mit ihrem Verein. Trotzdem sind diese Werte wichtig, die auch ich schon aus meinem Elternhaus mitbekommen habe: Sei es im Privaten oder im Sportlichen, füreinander da sein, zueinander stehen, Loyalität, Anstand und Respekt sind der Grundstein, auf dem ein Miteinander aufgebaut sein sollte. Was die Leistung einzelner Spieler betrifft, wünsche ich mir heute etwas weniger Gerede und mehr Leistung. „Labber nicht so viel, sondern liefere“, würde ich manchem Spieler mit auf den Weg geben. Dies sind FCK-Werte, die mit meinen immer übereinstimmten. Fußball kann nicht immer nur gespielt werden, sondern wird manchmal auch gearbeitet. Wer eine vernünftige Einstellung zum Leben und zu seinem Beruf hat, der kann beim FCK immer auf die Anhänger bauen.

 

K-B: Martin, vielen herzlichen Dank für das Gespräch. Vielleicht kannst du dir vorstellen, wie aufregend es ist, dass der K-B ein Gespräch mit einem seiner Idole führen darf. Du kannst dir sicher sein, dass die FCK-Fans dich immer im Herzen tragen.

 

 

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