Ich kann nicht anders...

Irgendwann wird uns diese Geschichte mit diesem Fußball einfach umbringen. Im Ernst: Das war wieder eine dieser Wochen, warum mein Bart mittlerweile grau meliert ist. Vielleicht sollten wir uns einen Sport suchen, der uns weniger aufregt. Oder ich bin eben ein ums andere Mal gezwungen, nicht nur die Ergebnisse, sondern in erster Linie die Erlebnisse niederzuschreiben. Es muss raus – bleibt das in einem drin, bewegen wir uns in medizinisch kritischen Bereichen.

Doch erzählen wir die Kurzgeschichte von vorne. Meine Woche mit dem SV Reihen.

 

Beginnend am Donnerstag gegen den starken Aufsteiger vom VfB Eppingen. Flutlichtspiel, vier Minuten gespielt – und Schiedsrichter Maximilian Lauer zückte schon das erste Mal Rot.

Kann sich jemand noch an das legendäre 5:4 gegen denselben Gegner 2020 erinnern? „Lauf, Hermann, lauf“ hieß damals der Spielbericht. Gut möglich, dass Referee Lauer ein fleißiger K-B-Leser ist – nur dass er statt „Hermann, lauf“ diesmal „Alle raus“ verstand. Ganze fünf Platzverweise hagelte es an diesem Abend, drei für die Hausherren. Und ja, die Entscheidungen waren allesamt vertretbar. Auch wenn der SV sich mancherorts benachteiligt fühlte, bleibt festzuhalten: Trotz 20-minütiger doppelter Überzahl gab es nicht eine gefährliche Chance für die Schwarz-Weißen. Stattdessen presste der Gegner weiter und nahm einen hochverdienten 3:0-Sieg mit in die Fachwerkstadt.

 

Sportlich ein rabenschwarzer Abend. Doch zwei Männer muss man herausheben: Zum einen Spielleiter Lauer, zum anderen SV-Vorstand Sascha Reimann. Als die „Warmmach-Gesellschaft“ aus Eppingen kurzerhand beschloss, vor die Nordkurve zu wechseln, entstieg Reimann resolut seinem Bier-Rondell und verwies das Ensemble mit Nachdruck auf die andere Seite. Welch Durchsetzungsvermögen, verpackt in einen Naketano-Pullover!

 

Damit war allerdings der beste Akteur aus Reihen schon genannt. Spielerisch: unter null. Heimniederlage, plus drei weitere Spieler für eine Partie auf der Strafbank.

 

Zeitsprung zum Sonntag. Auswärtsspiel beim TSV Kürnbach. Hier griff wieder dieses ominöse SV-Gen. Anstatt sich zu beklagen, suchte man nach Lösungen. Zwei Auswege hießen an diesem Tag: Björn Hack und Marc Heller.

Zunächst war man erleichtert, dass überhaupt elf Mann auf dem Feld standen. Zur Halbzeit jedoch fühlte man sich auch unter Dach und Fach ordentlich durchnässt: 0:2-Rückstand, keine Spielidee, keine Durchschlagskraft. Zwei Buden vom jungen Orifamma, dazu blaue Flecken im Dutzend vom Abprallen am bärenstarken Innenverteidiger Bissinger.

 

Noch 20 Minuten plätscherten Spiel und Regen gemeinsam dahin. Ich wollte gerade mit „We call it Krise“ abdrehen, da geschah dieses Phänomen, das Fußball so beschissen – und eben auch so unfassbar geil machen kann.

Auf einmal begann der SV Reihen mitzuspielen. Claudio Bellanave – bis dahin eher Kategorie „war stets bemüht“ – tauchte plötzlich überall auf und hatte endlich das nötige Glück in seinen Aktionen. Yannik Obländer, am Donnerstag noch eine tragische Figur, wurde zum Antreiber und zog alle mit in 25 Minuten Kreisligadrama deluxe.

 

Reihen nagelte Kürnbach an die Wand. Die junge Elf um Trainer Külbag fand keinen Zugriff mehr. Bellanave und Obländer stellten bis zur 81. Minute auf 2:2. Doch das reichte nicht. Im Rausch erspielte man sich Chance um Chance. Das Publikum beider Lager verzweifelte – bis Marlon Schwartz auf seine letzte Reise geschickt wurde. Im Fallen stoch er den Ball blind in die Mitte, wo der eingewechselte Valentin Schmidt praktisch mit dem Schlusspfiff den Sieg in die Maschen drosch.

 

So endete eine weitere völlig verrückte SV-Woche: durchnässt, schreiend, mit der Faust zum Himmel an einer Sportplatzbegrenzungsstange hängend. Vielleicht wäre aus kardiologischer Sicht ein anderer Sport besser – aber scheiß drauf. Auch im Schach ist noch keiner gesund alt geworden.

 

Eine der schönsten Szenen dieses Tages spielte sich aber schon in der Halbzeit ab: Zwei Streithähne aus Durchgang eins lagen sich im Clubhaus in den Armen. „Ist nicht persönlich, aber ich kann nicht anders – ich brenne eben für meinen Verein.“ Mehr muss man nicht sagen. Herztablette, ab ins Bett. Der Wahnsinn geht weiter.

 

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