30.04.2022

 

Und plötzlich warst du da …

 

Das erste und alles entscheidende Erlebnis. Als der Gäste Blog zur Heimat wurde. Dieser Artikel erscheint erst 28 Jahre nach dem Spiel. 

 

30.04.1994

 

FCK vs. BVB 2-0

 

Und plötzlich trifft es dich wie ein Blitz. Wie ein Zug, der dir entgegenkommt und in dich fährt. Der Love-Train. Man sucht sich nicht seinen Verein aus! Er findet dich. Niemals vergesse ich diesen einen Moment am 30.04.1994 in Block 7. Das erste Mal auf dem Betzenberg. Nicht mein erstes Bundesligaspiel. Soll keiner sagen, andere hatten keine faire Chance.

 

Der KSC hätte es werden können oder Schalke. Natürlich war auch der FC Bayern sehr verlockend.

 

Der FCK war anders als alles mir Bekannte. Dreckiger, fanatischer, eher eine Ideologie als ein Hobby. Nicht nur Fan-Schal und Fahne, sondern Leidenschaft und Hingabe.

 

Es muss 15.27 Uhr gewesen sein, als der legendäre Stadionsprecher Udo Scholz die Mannschaften vom FCK und dem BVB an diesem Tag auf den Fußballplatz rief. Wie ein schwarzes Loch verschlang mich in diesem Moment die Westkurve. Schreiende Männer mit Schnurbärten. Ein Geruch von Zigaretten, Bier und Schweiß in der glühenden Frühlingssonne.

 

FCK-Trainer Friedel Rausch mit lässiger Porno-Brille vor der neuen Nordtribüne. Stolz sitzt Norbert Thines auf der noch immer optischen Baustelle. Nicht weit von ihm Manager Reiner Geye, wild den Lockenkopf raufend nach jeder Aktion. Andy Brehme haben sie vor dem Spiel noch schnell das Mikro in die Hand gedrückt, damit er an die Fairness der Fans im knallharten Meisterkampf erinnern kann. Die Worte verschwimmen im Dunst der Anspannung.

 

Der FCK kann an diesem 33. Spieltag den Grundstein für die nächste Deutsche Meisterschaft legen. Ein Sieg gegen den UEFA-Cup Aspiranten Dortmund scheint ebenso schwierig wie unumgänglich. Die Aufstellung der Roten Teufel liest sich nicht erst aus heutiger Sicht wie eine Aufzählung von Helden. Ehrmann, Kadlec, Roos, Wagner und allen anderen voran: Stefan Kuntz, die Nr.11. „Ich lebe und sterbe für diesen Verein“ hat er mal gesagt. Auch noch heute glaube ich, dass es für ihn nicht nur leere Worte waren - will ich ihm glauben. Kuntz war für mich der Inbegriff eines Stürmers und viele Jahre mein Vorbild. Eigentlich ist er es immer geblieben.

 

Zwei Wochen vorher wurde der direkte Konkurrent um den Titel, der große FC Bayern, mit seinem kolumbianischen Superstar Adolfo Valencia (El tren) mit 4-0 vom Betze gejagt. Der Kaiser, Interiemstrainer der Münchner, nachdem Erich Ribbeck im Winter entlassen wurde, war derart beleidigt, dass er nicht mal auf der Pressekonferenz nach dem Spiel erschien. Angeblich fand er auf der Baustelle Fritz-Walter-Stadion den Weg zum Presseraum nicht.

 

Jedenfalls war der FCK im April 94 drauf und dran den gestopften Bazis abermals ein Bein zu stellen. An diesem Tag stand ich in Block 7. Neben mir ein Mann der im Abstand von 5 Minuten Konfetti aus einer großen roten Tüte in die Luft warf. Er tat dies mit einer Ernsthaftigkeit, als würde er höchstpersönlich durch immerzu nötigen Konfettiregen das Ergebnis des Spiels in seiner Hand haben. Auch er war Teil dieses Gesamtkunstwerks. Der FCK wurde an diesem Tag zu meinem Louvre, zu meiner sixtinischen Kapelle, zu meinem Kolosseum. Mit Spielern wie Gladiatoren, mit Trainern wie Priestern und Verantwortlichen die uns die fußballspielende Mona Lisa malten. Diese Illusion bekam erst durch Robert Wieschemanns Auftritt beim DSF-Doppelpass einen Knacks. „Defizit an Durchblick“, ja genau. Und ein Defizit an Krawatten mit denen Man(n) das Haus verlassen sollte zu allem Elend noch obendrauf. 

 

Ich war 8 Jahre alt, als dieser Verein in mein Leben kam. Zum ersten Mal im Leben verliebt. Dass der FCK mit 2-0 gewann wurde aufgrund der überwältigenden Eindrücke fast zur Nebensache. Kuntz und Kuka hielten die Betze-Buben auf der Meisterstraße. Aber auch, dass es am Ende der Saison „nur“ zur Vizemeisterschaft reichte, machte mich eher stolz als traurig. Schon früh hatte sich das überlegene Gefühl in mir verfestigt, durch und mit meinem Verein anders sein zu dürfen. Ja das „anders sein“ sogar immer wieder zu feiern und als Paradigma zu verstehen. Der 1.FCK ist kein Hobby. Er ist das Leben. Er ist tief fallen und weiterkämpfen, er ist feiern und weinen, er ist ermüdend und doch komm ich nicht von ihm los.

 

Später wurde Block 11 meine Heimat. Als uns Marschall gegen Wolfsburg zum Meister schoss stand ich dort. Als sie meine Heimat aufgrund von größenwahnsinnigen Stadion-Träumen abrissen, pilgerte ich über die Westkurve. Mal wieder in 7, dann mal im Oberrang. Im Laufe der Jahre auch mal auf der Süd und heute gerne auch mal auf der Haupttribüne. An jedem bedeuteten FCK Ereignis der vergangenen 28 Jahre habe ich teilgenommen. Und waren diese noch so traurig. Das Ende dieser gemeinsamen Geschichte kennt nur den Tod des FCK´s oder meinen.

 

Der Anfang dieser Reise war am 30.04.1994. Nach dem Spiel wollten wir noch in eine Fan-Kneipe gehen, ging leider nicht, weil sich ein paar Kutten darin in der Wolle hatten und Gläser flogen. FCK: „du Teil von mir“.

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