Einer, der gewinnen wollte…

René Redlich, der 6er in der K-B-Jahrhundert-Elf.

Als ich René während unseres Gesprächs fragte, ob er sich an den 02.09.2003 erinnern kann, musste er tatsächlich kurz überlegen.

 

Ob die Antwort bei einem gewissen Maurizio Gaudino schneller gekommen wäre, ist fraglich. An diesem warmen Septemberabend jedenfalls bekam der ehemalige Nationalspieler und Fußballprofi zu spüren, wie ein damals 22-jähriger Junge aus Reihen dieses Spiel interpretierte:

 

Mit Härte, mit der Lust im Kampf Mann gegen Mann und eben auch mit dem damit verbundenen Risiko, an die Grenze des Erlaubten zu gehen. Über 4000 Zuschauer pilgerten an diesem Abend ins Dietmar-Hopp-Stadion, um die Reservemannschaft der TSG Hoffenheim gegen den Waldhof kicken zu sehen. Ein Zuschaueraufkommen, von dem die damalige Regionalligamannschaft der TSG nur träumen konnte.

 

Der Punktgewinn und die Gelb/Rote Karte bei diesem Spiel bleiben keineswegs Randnotizen der Karriere von René Redlich; sie sind vielleicht sogar ein wenig Sinnbild für einen, der gewinnen wollte – immer.

 

Sei es in seinem heimischen Karolus-Stadion oder in der größeren Fußballwelt im Donaustadion, an der Kreuzeiche oder am Hardwald oder….

"Redlich im Trikot der TSG Hoffenheim II"

Wie die meisten SV-Jugendspieler dieser Zeit durchlief er eine Spielgemeinschaft mit dem FC Weiler. Ob der legendäre Theo Schedel mit seiner unnachahmlichen Art schon prägend für ihn war, bleibt offen. In einer goldenen Generation von Fußballern ließen die Erfolge jedoch nicht lange auf sich warten.

 

Die spätere Spielgemeinschaft um die SG Kirchardt, danach in Sinsheim, wurde zu einer Art Kreisauswahl, und Willi Unser als Trainer war der Schöpfer dieser Truppe, die sich bis in die damals höchste Spielklasse der Jugendverbandsliga kickte.

 

In Schulnähe konnte man zu dieser Zeit Redlich selbst nach Unterrichtsschluss noch stundenlang antreffen. Der nebenliegende Bolzplatz war die Ballspielschmiede seiner Kinder- und Jugendzeit. „Zwei Mal in der Woche Training reichen nicht aus, wenn du ein wirklich guter Kicker werden willst“, sagt Redlich und verweist aber auch darauf, dass es ihm damals nicht wirklich darum ging, einen Karriereplan zu verfolgen.

 

„Fußball hat mir einfach unfassbar Spaß gemacht, also spielte ich es jeden Tag.“ Schon früh hat er damals angefangen, mit den Senioren zu trainieren. Ab der C-Jugend oft mit den alten Herren, ab der B-Jugend mit der ersten Mannschaft des SV, mit welcher er noch als Jugendspieler den ersten großen Erfolg feierte.

 

"Der frischgebackene Kreispokalsieger 2000"

Bis heute bleibt der Kreispokalsieg gegen seinen späteren Club TSG Hoffenheim unerreicht. Dass es Redlich selbst war, der am Tag des Finales 2000 den Torreigen nach 17 Minuten eröffnete, ist Teil dieser unnachahmlichen Geschichte. Mit einem 5:3-Sieg wurde der Pokal nach Reihen geholt. Es sollte nicht das letzte Entscheidungsspiel sein, in dem Redlich den Sportverein auf die Siegerstraße brachte.

 

Bis sich allerdings 13 Jahre später dieser Kreis an einem Abend in Treschklingen schloss, durchlief er eine Karriere mit Höhen und Tiefen, mit Erfolgen und Niederlagen und jeder Menge guter Geschichten.

 

Sein Weg führte ihn vorerst zum damals großen SV Sinsheim in die Verbandsliga. Während er bei seinem Trainer Gerd Doll einen schwierigen Stand hatte, ging parallel der SV Reihen in der Bezirksliga dem Abgrund entgegen. So entschloss er sich, seinem Heimatverein im Abstiegskampf zu helfen und kam im Winter wieder zurück.

 

Das Himmelfahrtskommando SV Reihen 2001, welches an manchen Tagen ohne Ersatzspieler antrat, konnte aber selbst Redlich nicht mehr retten. Als großes Talent machte er aber weiter auf sich aufmerksam. Über die Landesliga in Zuzenhausen ging es schließlich nach Hoffenheim in die Verbands- und danach in die Oberliga. „Meine beste Zeit als Fußballer, und diese Erlebnisse in den  großen Stadien zu spielen, waren herausragend.“ Trainer Roland Dickgießer hatte damals eine Art Kreisauswahl und drückte mit seiner sachlich-fachlichen Art nicht nur Redlich seinen Stempel auf.

 

Wie es allerdings so ist bei Reservemannschaften, müssen die Alten (damals 23) den nachkommenden Spielern Raum geben, und so ging er  zurück nach Zuzenhausen. In den folgenden sieben Jahren, die meisten davon als Kapitän, führte er den Dorfverein bis auf Platz 3 der Verbandsliga.

 

Kämpfer und Spielgestalter in Personalunion – ein 6er, wie er auch heute nicht aus der Mode gefallen ist und in vielen Mannschaften fehlt. Der entscheidende Pass nach vorne kann genauso viel Freude machen wie sich in den Gegenspieler zu beißen und ihm mit Zweikampfhärte den Sonntag zu versauen. Redlich konnte beides. Zusätzlich war er als Schlitzohr der Initiator von etlichen Strafstößen. Nicht als Schwalbenspieler, sondern als einer, der bemerkt hat, dass ein Fuß oft nicht schnell genug wegkommt, wenn man mit letzter Konsequenz in den Strafraum dribbelt.

"Nicht immer einig mit dem Schiedsrichter. Redlich im Trikot des FC Zuzenhausen"

Nach einem kurzen Intermezzo als Spielertrainer in Mauer ging er auf seine letzte, aus SV-Sicht wichtigste Mission. Die Schwarz-Weißen waren damals schon 12 Jahre raus aus der Bezirksliga, und die Sehnsucht nach der Rückkehr war spürbar im ganzen Dorf.

 

Der SV war damals zweifelsohne ein sehr guter A-Ligist, aber der vollendende Schlüssel zur Rückkehr war René Redlich. Mit Ruhe im Mittelfeld und noch immer außergewöhnlichem Talent für die richtige Entscheidung ging es über die Vizemeisterschaft zum Relegationsspiel nach Treschklingen.

 

Nach 40 Minuten setzte Redlich den Ball auf den Rasen.

 

22 Meter vor dem Tor, ein Augenblick der Stille, wie der Moment, bevor sich ein Gewitter entlädt. Es ist nur ein gezielter Tritt mit dem Fuß gegen ein rundes Kunstobjekt - was in den Sekunden geschah, nachdem der Ball im Torwinkel einschlug, kann man nur begreifen, wenn man mit dem Fußball in Reihen verbunden ist. Oder eben sogar nur einige Meter entfernt mit Redlich zusammen auf dem Feld stand.

 

Ein Freistoß, wie ein Kunstwerk, ließ Träume an diesem Abend wahr werden: die langersehnte Rückkehr ins Sinsheimer Oberhaus.

 

Noch ein Jahr schnürte er die Stollenschuhe und beschaffte mit seiner Erfahrung den Klassenerhalt. Danach sorgte die Hüfte für das Karriereende. Eine Laufbahn, die ihn bis in die Oberliga führte, weit hinaus und doch immer verbunden mit dem Sportverein von 1920. Zusammen mit seinem Vater Dieter organisiert er die Defensive in der Jahrhundert-Elf.

 

Auf die Frage, wer denn der bessere Fußballer von den beiden war, antwortet Redlich schmunzelnd: „Er war immer ein Vorbild, ich denke aber, man kann es davon abhängig machen, in welcher Klasse der jeweilige gespielt hat.“

 

René Redlich, einer, der gewinnen wollte, und mit seinen beiden Toren in entscheidenden Momenten auch einer, der gewinnen konnte.

 

"Der Moment für die Ewigkeit - Redlich nach seinem Jahrhunderschuss im Relegationsspiel 2013"

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