Because I Got THAI

17.02.2025

Alles Gescheite ist bereits gedacht, hat JoWo Goethe gesagt. Man könnte daraus assoziieren: Alles, was geschehen kann, ist bereits geschehen. Wir sollten den Niederländer Oege Van Lingen fragen, was er von diesen Kalendersprüchen hält. Der Mann spielt in der 2. thailändischen Liga beim FC Suphanburi Fußball und hatte nach dem Spiel am vergangenen Samstag zwei derart prickelnde Erlebnisse, welche es in dieser Form wohl auch nur in Thailand gibt. Zum einen hat er das entscheidende Tor für seine Mannschaft erzielt, so weit, so gut und Alltag in den Ligen dieser Welt.

 

Beim anschließenden Interview nach der Partie sollte Van Lingen das Mikrofon in die Hand nehmen und bekam einen derartigen Stromschlag, dass er bisweilen im Krankenhaus verweilt. Gute Besserung wünscht der K-B und chronologisiert ins Logbuch: In diesem Land, in dieser Stadt ist die Geschichte eben noch nicht zu Ende erzählt. Thailand ist ein Schwellenland – ein aufstrebender wirtschaftlicher Staat, der wächst. Wer sich allerdings in diesen transformierenden Regionen etwas auskennt, der weiß: Wachstum geschieht niemals linear.

 

Der Fußball – immer Spiegelbild einer Gesellschaft – ist da keine Ausnahme.

Das spektakuläre 3:3 zwischen dem BFB Pattaya City und Pluakadaeng United im wunderschönen Nong Prue Stadium gab dem Groundhopper-Herz das Futter, welches einen immer wieder auf die Sportplätze dieser Welt ziehen lässt. Der etwas kleinere Verein der beiden Host-Clubs aus Pattaya spielt in der Thai League 3 und kämpft dort um den Anschluss ans Tabellenmittelfeld.

 

Die überdachte Haupttribüne teilt man sich mit euphorisch schreienden thailändischen Mädels, der geballten, etwas in die Jahre gekommenen Fußballfachkompetenz aus Europa, einer Milliarde Insekten und nicht weniger scheißenden Tauben. Der Eintritt kostet 70 Baht, das sind umgerechnet etwa 1,50 Euro.

 

Der SV Reihen nimmt für weniger Komfort mehr als das Doppelte.

 

Der Spielstil selbst ist wild. Vom Niveau her etwa zwischen unserer heimischen Landes- und Verbandsliga anzusiedeln. Wie Jackie Chan in "Dragons Forever" in Dauerschleife seinen Kontrahenten den Kopf vom Hals trat, so wird hier Ball und Gegner bearbeitet. Dabei ist das Fußballerlebnis keineswegs schlechter als im Land der Alemannen, ganz im Gegenteil. Alles hier wirkt charmant zügellos. Nicht durchorganisiert, sondern mehr Raum für das Unvorhersehbare. 

Nach 45 Minuten übernimmt kurzerhand der Präsident von Pattaya City das Traineramt, nur um dann eine Viertelstunde später den Chefcoach wieder zu reaktivieren. Der verletzte Spieler wird nicht in den Katakomben des Stadions behandelt, sondern wird zum Public Viewing vor der Haupttribüne aufgebahrt.

 

Als der Gastgeber kurz vor dem Ende noch den Ausgleich erzielt, brechen auf den Rängen alle Dämme. Die Dauertrommler und Megaphon-Artisten lassen den durchaus sehenswerten Auswärtsmob kurzerhand verstummen. Vieles unterscheidet sich, die Freude nach dem Erfolg ist überall gleich. Dieses Land hier wird sich weiterentwickeln – der Fußball auch. In Pattaya entsteht in den nächsten Jahren ein neues Stadion für 20.000 Zuschauer. Kein Vergleich mehr zu der in die Jahre gekommenen Sportstätte, hinter welcher eindrucksvoll ein buddhistischer Tempel thront.

 

Die Bundesliga, vor allem aber natürlich die Premier League in England, sind das große Vorbild und laufen in den zahllosen Bars auf und ab. Man wird versuchen, von uns Europäern zu lernen. Man wird versuchen, vieles von uns zu kopieren. Dabei zeigt uns dieses Land so vieles, was wir etwas mehr zelebrieren sollten: Das Unvorhersehbare, der Moment, welcher eben unerwartet und komplett überraschend unsere Welt bunt macht. Thailand und Pattaya sind bunt, ich bringe etwas Farbe mit.

 

Übrigens geht es Oege Van Lingen wieder besser. Im Krankenhaus wurde ihm ein Obstkorb zur Wiedergutmachung überreicht.

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